Blumen am Gleis

Veröffentlicht am 12. Juli 2024 um 15:30
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Julia, eine junge, aufstrebende Wirtschafsingenieurin, war in ihrem Berufsfeld sehr engagiert, aber oft von den komplizierten mathematischen Problemen überwältigt. Ihre Arbeitsstunden waren lang und oft frustrierend, doch sie gab nicht auf. Ihr Ehrgeiz und ihre Neugier trieben sie immer weiter an.

 

Eines Tages, als Julia gerade an einer besonders kniffligen Gleichung arbeitete, betrat ein älterer Mann ihr Büro. Es war Herr Gotsching, ein berühmter Mathematikproffesor, der für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten und seine Weisheit bekannt war. Sein Gesicht war von tiefen Linien durchzogen, die von vielen Jahren intensiver Arbeit zeugten, aber seine Augen leuchteten mit einer jugendlichen Energie.

 

„Guten Tag, Julia“, begann er mit einer warmen Stimme. „Ich habe gehört, dass Sie Hilfe bei einigen mathematischen Problemen benötigen. Ich könnte Ihnen zeigen, wie Sie Ihr Metier besser verstehen.“

 

Julia war überrascht und gleichzeitig erleichtert. Sie hatte viel von Herrn Gotsching gehört und bewunderte seine Arbeit. Ohne zu zögern nahm sie sein Angebot dankbar an.

 

Nach ihren intensiven Arbeitssitzungen begannen Julia und Herr Gotsching, gemeinsam Mittagspausen-Spaziergänge zu unternehmen. Diese Spaziergänge wurden schnell zu einem festen Bestandteil ihres Tagesablaufs. Während sie durch den nahegelegenen Park gingen, erzählte Herr Gotsching von seiner Kindheit und wie er während des Krieges nach Norwegen geschickt wurde. Diese Erlebnisse hatten sein Leben und seine Sicht auf die Welt tief geprägt.

 

An einem dieser Nachmittage erzählte Herr Gotsching Julia  von einem mathematischen Rätsel, das er als Kind gelernt hatte. Es war mehr ein Spiel als eine ernsthafte Aufgabe, und es machte ihr großen Spaß, es zu lösen. Sie merkte, wie sehr es Herrn Gotsching freute, als er sah, dass sie es begriffen hatte. Diese Momente stärkten ihre Freundschaft und ihren gegenseitigen Respekt.

 

Mit der Zeit wurde die Bindung zwischen Julia und Herrn Gotsching stärker. Sie besuchte ihn regelmäßig, und sie genossen ihre Gespräche über Ingenieurwesen, Mathematik und das Leben. Trotz des Altersunterschieds verstanden sie sich blendend. Julia bewunderte seine Weisheit, während Herr Gotsching ihre Jugend und Lebensfreude genoss.

 

Beide dachten oft, dass sie alle Zeit der Welt hätten, um ihre Gespräche fortzusetzen und voneinander zu lernen. Doch das Leben hatte andere Pläne.

Eines Tages erkrankte Herr Gotsching plötzlich und musste ins Krankenhaus. Julia erfuhr erst einige Tage später von seiner Krankheit und versuchte verzweifelt, herauszufinden, in welchem Krankenhaus er lag. Doch als sie schließlich die richtige Information erhielt und zu ihm eilte, war es zu spät. Herr Gotsching war bereits verstorben.

 

Julia war am Boden zerstört und von Schuldgefühlen geplagt, weil sie nicht rechtzeitig bei ihm sein konnte. Die Erkenntnis, dass man manchmal denkt, man habe alle Zeit der Welt, lastete schwer auf ihr.

Nach seinem Tod dachte Julia oft an die gemeinsamen Zeiten zurück. Sie fühlte sich schuldig und traurig, dass sie nicht bei ihm sein konnte, als er sie am meisten brauchte. An einem kalten Wintertag, während sie über die Gleise zum Bahnhof lief, fühlte sie sich besonders niedergeschlagen.

 

Doch plötzlich bemerkte sie etwas Ungewöhnliches: Ein Strauß ihrer Lieblingsblumen lag direkt vor ihr im Schnee. Für Julia war dies mehr als nur ein Zufall; es fühlte sich an wie ein letzter Gruß von Herrn Gotsching, ein Abschiedsgeschenk, das symbolisierte, dass er immer noch bei ihr war und sie auf ihrem Lebensweg begleitete. Dies dachte sie, obwohl sie eigentlich nicht an Paranormales glaubte.

 

Julia nahm die Blumen mit nach Hause und stellte sie an einen besonderen Platz. Obwohl sie immer noch von Schuldgefühlen geplagt wurde, begann sie zu realisieren, dass Herr Gotsching ihr nicht böse gewesen wäre. Sie wusste, dass seine Lehren und Geschichten immer ein Teil von ihr bleiben würden.

 

Besonders die Erinnerung an das  Rätsel, das er ihr beibrachte, gab ihr neuen Mut und die Gewissheit, dass die Menschen, die wir lieben, nie wirklich verschwinden, sondern immer in unseren Herzen weiterleben. Die Erkenntnis, dass die Zeit kostbar ist und man sie nicht verschwenden sollte, begleitete sie fortan in ihrem Leben.

 

Julia begann, sich intensiver mit mathematischen Rätseln zu beschäftigen, als eine Art Tribut an Herrn Gotsching. Sie entdeckte eine Leidenschaft für knifflige Probleme und fand Trost darin, sich in ihre Arbeit zu vertiefen. Doch auch nachts, wenn sie alleine in ihrer Wohnung saß und über den Zahlen brütete, konnte sie nicht verhindern, dass ihr ein unheimliches Gefühl beschlich.

Es begann mit kleinen Dingen – ein seltsames Klopfen an der Tür, das plötzliche Gefühl, beobachtet zu werden. Julia schüttelte diese Gedanken zunächst ab, doch als die unheimlichen Vorfälle häuften, konnte sie nicht mehr ignorieren, dass etwas Seltsames vor sich ging.

Eines Nachts, als sie wieder einmal an einer schwierigen Gleichung arbeitete, spürte Julia plötzlich einen eisigen Hauch auf ihrem Nacken. Sie drehte sich um, doch da war niemand. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie das Gefühl hatte, dass sie nicht alleine in ihrem Büro war.

Die unheimlichen Ereignisse häuften sich, und Julia fühlte sich zunehmend beobachtet und verfolgt. Sie konnte nicht mehr klar denken, ihre Arbeit litt darunter, und sie begann zu zweifeln, ob sie verrückt wurde. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass diese unheimlichen Vorfälle etwas mit Herrn Gotsching zu tun hatten.

Entschlossen, die Wahrheit herauszufinden, begann Julia, Nachforschungen anzustellen. Sie entdeckte, dass Herr Gotsching ein dunkles Geheimnis verbarg, das mit einem ungelösten mathematischen Rätsel aus seiner Vergangenheit zusammenhing. Ein Rätsel, das ihn bis in den Tod verfolgte und nun auch Julia in seinen Bann zog.

Als Julia sich tiefer in die mysteriöse Geschichte verstrickte, wurde ihr klar, dass sie sich in Gefahr befand. Doch sie war fest entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen und das Rätsel zu lösen, um Herrn Gotsching endlich Frieden zu verschaffen.

Die Nächte wurden länger und gruseliger, während Julia sich immer tiefer in das Geheimnis verstrickte. Doch sie war fest entschlossen, die Wahrheit herauszufinden, auch wenn sie dafür an die Grenzen ihrer eigenen Rationalität gehen musste.

Am Ende gelang es Julia, das Rätsel zu lösen und die Geister der Vergangenheit zu besänftigen.

Herr Gotsching hatte seinerzeit in Norwegen ein Schriftstück entdeckt, welches mit Runen beschrieben war.

Diese Runen hat er sein Leben lang versucht zu entziffern. Der einzige Durchbruch den er erlange, war dass diese Runen einen weiteren Code in sich bargen.

Dass dieser Code sich mit alchemistischen Symbolen befasste und auf dem heutigen Periodensystem der Elemente beruhte, hat er leider nicht mehr herausfinden können.

 

Jetzt verstand Julia auch diese Spiele und Rätsel in den gemeinsamen Mittagspausen. Das waren Trainingseinheiten.

 

Sie erinnerte sich speziell an ein Spiel, in dem Herr Gotsching sie hieß, sich  eine Reihenfolge von Ziffern und chemische Elementen einzuprägen.

Das war ihm damals unglaublich wichtig.

Angestrengt dachte sie nach und versuchte, sich diese Reihenfolge wieder ins Gedächtnis zu rufen. Und es gelang ihr.

Es war der Codierschlüssel mi dem Julia nun das alte vergilbte Manuskript lesen konnte.

Dort war der Ort beschrieben, wo die alten Askeladden sich versteckt hielten und wie man sie gefangen nimmt, damit sie einem den verborgensten Wunsch erfüllen.

Es war überraschend zu erkennen, dass ihr Mentor und ein so durch und durch wissenschaftlicher Mensch sich mit Mythen und Sagen beschäftigte. Und mehr noch, dass er sie für wahr hielt.

Plötzlich schien ihr, dass der Raum kälter und heller geworden war. Julia wollte gerade den Thermostat in Ihrem Büro überprüfen, als Herr Gotsching vor ihr erschien.

 

"Meine liebe Julia, folge nicht meinen Irrpfaden. Die Askeladden würden dir nur das geben, was du bereits schon hast. 

Du bist gut wie du bist. Ich bin unheimlich stolz auf dich!"

 

Mit tränennassem Gesicht saß Julia noch sehr lange an ihrem Schreibtisch, bis der Morgen graute.

 

"Jetzt verstehe ich, Herr Gotsching, Ich verstehe!"

Damit fand sie Frieden und konnte Herrn Gotsching endlich loslassen. Doch die Erinnerungen an diese gruselige Zeit würden sie für immer verfolgen und sie daran erinnern, dass manchmal die Wahrheit hinter den Zahlen und Gleichungen viel unheimlicher sein kann, als man es sich je vorgestellt hätte.

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